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Paccot La Colombe - Conservatoire Mondial du Chasselas - La Cote - Petit Clos - par Marc Ducrest (3)

Das Duett des «Krachers» Fendant mit dem «Spritzer» Giclet

24 September 2020

Genossen Zwei gute Konservatorien für eine edle Rebsorte – die Conservatoires Mondiaux du Chasselas im Lavaux und an der Côte

Was verbindet die beiden Rebsorten Blauburgunder alias Pinot noir und
Chasselas alias Gutedel? Nun, beide sind sie stolze Leitsorten mit einer langen Tradition – die rote in der Deutschschweiz, die weisse in der Romandie. Knapp 4000 Hektaren sind mit Chasselas bestockt, 4330 Hektaren mit Blauburgunder. Beide Sorten haben heute ein Absatzproblem: Im Blauburgunderland werden die blauen Trauben neuerdings in grossen Drucktanks zu weissem Schaumwein, sogenanntem Blanc de noir, verarbeitet. In der Waadt ruft man zu fleissigem Konsum auf, T-Shirts fragen keck «Parlez-vous Chasselas?». Zudem besinnt sich die Forschung auf das grosse genetische Potenzial der Sorte und setzt auf polyklonale Vielfalt. Chasselas ist eine veritable Doppelbegabung: Gekeltert ergibt die Traube elegante Weissweine, die das Terroir widerspiegeln, als Tafeltraube ist sie seit der Zeit der französischen Könige und deren Zuckermäuschen und Naschkätzchen in Versailles beliebt, wie der Name der Spielart Chasselas Rosé royal verrät.

Der weltweit anerkannte Walliser Rebgenetiker José Vouillamoz ist überzeugt, dass die Heimat der Chasselasrebe am Lac Léman liegt. 2009
hat Louis-Philippe Bovard, Grandseigneur des Waadtländer Weinbaus und
Produzent der bekannten Médinette, in Zusammenarbeit mit François Murisier, dem damaligen Leiter des Bereichs Weinbau der Forschungsanstalt Agroscope, in Rivaz im Lavaux das Conservatoire Mondial du Chasselas mit 19 sogenannten Biotypen ins Leben gerufen.
Bei den Fendant-Typen spaltet sich das Fruchtfleisch der Beeren auf Druck, weshalb sie auch «Kracher» genannt werden. Der Biotyp Bois Rouge überzeugt als Wein mit Mineralität. Die Beeren des Typs Giclet ergeben frische, rassige Weine. Sie spritzen, wenn man sie zusammendrückt, deshalb heisst dieser Typ auch «Spritzer». Als Cuvée vereinen Bois Rouge und Giclet ihre Eigenschaften und spielen im Duett.

«Vor 40 Jahren war unser Chasselas ein leichter Apérowein, zu 70 Prozent
tranken wir unseren ‹petit Champagne› in Bar-Cafés. Heute wird er vermehrt zu Hause getrunken, und für Essensbegleiter sind Struktur, Säure und Körper wichtig», kommentiert Olivier Viret, Leiter des Kompetenzzentrums für Rebbau und Spezialkulturen des Kantons Waadt. Bei Agroscope in Pully wird Chasselas seit 1923 erforscht und selektioniert, Leiter Jean-Laurent Spring hat 373 Biotypen aus aller Welt im Rebgarten
versammelt. Ausgewählte Klone werden hier in Puppenstubenmengen
von 5 bis 15 Litern gekeltert. Springs grosses Ziel ist die Züchtung
eines pilztoleranten PiWi-Chasselas.

«Für Essensbegleiter sind Struktur, Säure und Körper wichtig.» Olivier Viret

Raymond Paccot von der biodynamischen Domaine La Colombe in Féchy
und seine Tochter Laura, die den Betrieb jetzt führt, haben in ihrem Rebberg Petit Clos in Mont-sur-Rolle ein zweites Conservatoire du Chasselas eingerichtet, um fünf Chasselas-Biotypen mit je 400 Rebstöcken auf dem Terroir der Côte zu studieren. Denn Chasselas reflektiert Boden und Klima präzise: Domaine La Colombe, Petit Clos, Grand Cru AOC Mont-sur-Rolle 2019: Zarter Duft von frischer Limettenschale; am Gaumen Eleganz und Extrakt. Basile et Pierre Monachon, Les Côtes-Dessus, Dézaley Grand Cru AOC Lavaux Rivaz 2018: Mineralisch, nasser Stein, feiner Harzduft; am Gaumen facettenreich – Garrigue (Thymian, Rosmarin), kräftiger Körper, Schmelz und schöne Länge dank nobler Bitternote. (us)

BILD ULRICH SCHWEIZER

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