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10 europäische Weingüter, welche die Zukunft prägen werden

28 July 2022

Eine neue Generation Winzer setzt auf natürliche und authentische Weine.

In Europa gibt es zunehmend mehr Winzer und Winzerinnen, die natürliche und ehrliche Gewächse keltern wollen. Diese Bauern repräsentieren die Zukunft. Wir stellen zehn solche Betriebe vor – auch aus der Schweiz.

Es gibt Wein und Wein. Die grosse Mehrheit der Produkte wird nach klaren Standards industriell und möglichst günstig erzeugt. Doch es geht auch anders. Für eine zunehmende Zahl von Winzern und Winzerinnen geht es um mehr als um vergorenen Rebensaft: um authentische, ehrliche, herkunfts- und jahrgangstypische Weine. Die Produzenten versuchen neue, auch unkonventionelle Wege zu beschreiten, immer mit dem Respekt vor der Natur und der handwerklichen Tradition sowie des kulturellen Erbes vor Augen. Sie hinterfragen die Versprechungen von Technik und Chemie, erproben neue Denkansätze. Verantwortung zu übernehmen für die heutige und nächste Generation, ist keine leere Wort-Hülse.

Eine neue Welle

Das neue, überaus lesens- und empfehlenswerte Buch «New Wine Wave» von Master of Wine Janek Schumann und Wolfgang Staudt präsentiert 101 Weingüter, welche die Zukunft des europäischen Weinbaus prägen werden. Die Betriebe reflektieren das «neue Europa» und kommen aus allen wichtigen Anbauländern des Kontinents. Auch die Schweiz ist mit sechs Namen dabei. Diese Ausgewählten stehen stellvertretend für eine aktive Bewegung, welche hierzulande nach naturbelassenen, authentischen Weinen strebt. Die neue helvetische Winzergeneration hat sich die Ökologie, die Nachhaltigkeit und das Handwerk auf ihre Fahne geschrieben.

Cédric & Nadine Besson-Strasser setzen auf Biodynamie und regenerative Landwirtschaft. (Alle Bilder: Anja Prestel)            

Aus den 101 vorgestellten Gütern habe ich zehn Beispiele ausgewählt, die ich selbst kenne und die mir nicht erst seit heute mit bemerkenswert charaktervollen und hochwertigen Weinen aufgefallen sind. Die Crus dieser Winzer und Winzerinnen finden öfters den Weg in meinen privaten Keller.

Schweiz: Nadine & Cédric Besson-Strasser, Zürich

Das Winzer-Ehepaar aus Uhwiesen sieht sich als Teil einer «alten Weinkultur mit historischen Terroirs». Diese soll ihrer Überzeugung nach erhalten werden. Im Keller wird nicht leichtfertig den Methoden und Präparaten der modernen Önologie Vertrauen geschenkt. Besson-Strasser setzen daher seit Jahren auf die Biodynamie und regenerative Landschaft. Ihre Weine sind entsprechend eigenständig, substanzreich und tänzerisch leicht. Weintipp: Pinot noir Chlosterberg.

Schweiz: Laura Paccot, La Colombe, Waadt

Die junge Laura Paccot, die den Familienbetrieb in der La Côte erst kürzlich übernommen hat, verfolgt eine klare Mission: «Ich möchte der Welt zeigen, wie sensationell gut Chasselas reifen kann.» Die Winzerin ist auf einem guten Weg, denn die aus genau definierten Lagen stammenden Bio-Weine der Domaine La Colombe haben das entsprechende Potenzial. Sie sind präzis, fokussiert und terroirgeprägt. Weintipp: Brez Grand Cru, Féchy AOC.

Laura Paccot will zeigen, wie gut Chasselas reifen kann.

Spanien: Verónica Ortega, Bierzo

Die Winzerin gehört zu jenen Newcomern, die das Weinbaugebiet Bierzo zu einem der spannendsten Hotspots des Landes gemacht haben. Ihr Fokus gilt der Sorte Mencia. Verónica Ortega ist überzeugt davon, dass diese Traube wie Pinot noir die «kleinsten Unterschiede des Terroirs» im Wein ausdrücken könne. Dementsprechend dosiert ist der Einsatz von Holz. Die Spanierin kombiniert für den Ausbau Fässer mit Amphoren. Die Resultate sind umwerfend. Weintipp: ROC, erhältlich über smithandsmith.ch.

Verónica Ortega widmet sich der Sorte Mencia.

Italien: Martin Gojer & Marion Untersulzner, Pranzegg, Südtirol

Hoch über Bozen liegt das Weingut Pranzegg des Duos. Es produziert biodynamische Weine, die nicht in das Schema der Anbauregion passen. Sie sind «wilder, aufregender, naturbelassener, unkonventioneller». Die beiden bleiben sich stets treu, wollen ehrlich und authentisch sein – und scheinbar unumstössliche Wahrheiten hinterfragen. Weintipp: Lagrein Laurenc, erhältlich über feinweinsein.ch.

Martin Gojer produziert am liebsten unkonventionelle Weine.            

Frankreich: Yohan Lardy, Beaujolais

Als das «neue Gesicht des Beaujolais» beschreiben die Buchautoren den Winzer Yohan Lardy. Er und andere Produzenten haben das Gebiet umgekrempelt, legen den Fokus auf Einzellagen, arbeiten biologisch und intervenieren so wenig wie möglich im Keller. Das Resultat sind komplexe, finessenreiche Rotweine aus Gamay. Weintipp: Moulin-à-Vent Vieilles Vignes 1903. erhältlich über s-fabrik.ch.

Yohan Lardy ist das neue Gesicht des Beaujolais.

Frankreich: Emeline Calvez & Sébastien Bobinet, Loire

Das Winzerpaar produziert aus Cabernet Franc und Chenin Blanc ausdrucksstarke, unkonventionelle Weine, die Zeit brauchen und Aromen zeigen, die sich ausserhalb der gesetzlich definierten Norm befinden. Ihr Motto: Die als «Vins de France» deklarierten Crus sind für Menschen und nicht für Punkte gemacht. Man arbeitet ökologisch, mit einem minimalen Einsatz von Kupfer und Schwefel in den Rebbergen. Weintipp: Chenin blanc Poil de Lièvre, erhältlich über lepasseurdevin.ch.

Die Weine von Emeline Calvez & Sébastien Bobinet befinden sich ausserhalb der gesetzlich definierten Norm.    

Deutschland: Julian Huber, Weingut Bernhard Huber, Baden

Bernhard Huber hat ein Gut mit internationalem Renommee aufgebaut und stirbt viel zu früh. Sein Sohn Julian hat das nicht leichte Erbe im jungen Alter übernommen und produziert heute Rot- und Weissweine aus Pinot noir und Chardonnay, die in Sachen Frische und Eleganz überragend sind. Er ist ein «Perfektionist», der stets weitere Optimierungsmöglichkeiten sucht – und findet. Die Weine sind rar und sehr gefragt. Weintipp: Spätburgunder Bienenberg GG, erhältlich über boucherville.ch und rieslingco.ch.

Julian Huber hat das Erbe seines Vaters übernommen.

Deutschland: Viktoria & Peter Bernhard Kühn, Weingut Peter Jakob Kühn, Rheingau

Lange Zeit wurde das Weingut belächelt, weil es bereits 2004 auf die biodynamische Bewirtschaftung umgestellt hat. Heute handelt es sich um einen «Leuchttum-Betrieb», zumal Peter Bernard Kühn und seine Frau Viktoria es geschafft haben, das Profil und die Stilistik der Rieslinge weiter zu schärfen. Das Resultat: aussergewöhnliche, authentische und umwerfende Weine. Weintipp: Riesling Hendelberg Erste Lage, erhältlich über gerstl.ch.

Viktoria & Peter Bernhard Kühn sind Vorreiter in der biodynamischen Bewirtschaftung.

Portugal: Filipa Pato & William Wouters, Bairrada

Das Ehepaar schwört auf die rote Sorte Baga, die in der Atlantikregion südlich von Porto wächst. Der Ehrgeiz besteht darin, die elegante, subtile und delikate Seite der Traube hervorzuholen. Finesse statt Tanninmonster! Das gelingt auf meisterliche Art und Weise, denn die Weine überzeugen durch Vielschichtigkeit und Strahlkraft. Wegweisend für die Zukunft. Weintipp: Nosso Calcário Baga, erhältlich über vinothek-brancaia.ch.

Filipa Pato & William Wouters schwört auf die rote Sorte Baga.

Österreich: Dorli Muhr, Carnuntum

Die Winzerin und PR-Beraterin ist von einem Ziel beseelt: die Lage «Spitzerberg weltberühmt zu machen». Vielleicht befindet sie sich derzeit auf halbem Weg, obwohl ihre Blaufränkisch-Weine aus diesem Rebberg in Sachen Eleganz und Tiefgründigkeit schon jetzt zu den interessantesten roten Gewächsen gehören – nicht nur in Österreich, sondern weltweit, wie die Autoren zu Recht schreiben. Neuestes Projekt: ihr eigener Keller für den Jahrgang 2022, ein Schritt mehr zu einer weiteren Qualitätsoptimierung. Weintipp: Blaufränkisch Spitzerberg Oberer Roterd, erhältlich über gerstl.ch.

Dorli Muhr will die Lage Spitzerberg berühmt machen.  

https://bellevue.nzz.ch/kochen-geniessen/zukunft-des-weins-weingueter-in-europa-die-innovativ-arbeiten-ld.1695198

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